Romantik
Ausschnitt aus dem neunten Tag in Elydion, geschrieben von Chris.
Seit er Elowyn im Königsschloss begegnet ist, lässt sie ihn nicht mehr los – klug, schön und mit einem Blick, der mehr verrät, als Worte sagen könnten. Nun lädt sie ihn ein, mit ihr nach Alborg zu reiten. Für Chris klingt es nach einem Tag voller Magie … wenn da nicht zwei Probleme wären: Auf der geplanten Route droht Gefahr. Und er kann kaum reiten …
***
Bei der nächsten Wegabzweigung schlug ich vor, den anderen Weg zu nehmen.
Sie hielt an und machte ein verdutztes Gesicht: „Aber dieser Weg führt nicht nach Alborg!“
„Macht doch nichts! Schön ist es hier überall“, sagte ich mit einem Lächeln, und nachdem ich ihr einen herausfordernden Blick zugeworfen hatte, ritt ich auf dem anderen Weg los.
Immer schneller trieb ich Tarbor an. Ich hetzte ihn und versuchte gleichzeitig, im Sattel zu bleiben. Der Wind zerrte an meinen Kleidern, das Adrenalin schoss mir durch den Körper. Es war wie ein Wettlauf gegen die Zeit, gegen die Angst, und für einen Moment fühlte ich mich frei.
Ich blickte rückwärts und sah, dass Elowyn aufholte. Ich begann zu lachen und versuchte, noch schneller zu werden. Auch sie fing an, hell und freudig zu lachen, als sie meine Höhe erreicht hatte und mich überholte. Sie lag tief im Sattel, ihr Haar flatterte im Wind, und sie lachte so frisch und frei, dass es mich unwillkürlich mitriss. In diesem Moment fühlte ich mich lebendig, wirklich lebendig.
Wie lange wir so galoppierten, weiß ich nicht. Irgendwann endete unsere wilde Jagd jedoch, und ich ließ mich erschöpft vom Pferd ins hohe Gras sinken. Elowyn tat dasselbe, und für eine Weile lagen wir einfach nebeneinander, ohne ein Wort zu sprechen. Nur das leise Rascheln der Blätter und das entfernte Zwitschern der Vögel durchbrachen die Stille. Die Luft war erfüllt vom Summen der Insekten, und der Duft des Grases und der fremden Blumen weckte in mir Erinnerungen an die ersten Augenblicke in dieser Welt, an den Anblick der leicht rötlichen, etwas größeren Sonne im Zenit.
Ich atmete tief ein und roch den süßlichen Duft der Wiese – und den zarten Hauch von Elowyns Parfüm.
„Alle im Schloss rätseln darüber, woher ihr beide kommt“, sagte Elowyn schließlich, in ihrer Stimme schwang ein neckischer Unterton mit.
„So, so, tun sie das?“, fragte ich geschmeichelt.
Sie lächelte geheimnisvoll. „Offiziell seid ihr aus Mondfall hergereist, aber ihr scheint auffallend viele unserer Bräuche nicht zu kennen.“
„Habt ihr uns etwa heimlich beobachtet?“, fragte ich gespielt empört und zog die Augenbrauen hoch.
Sie grinste frech. „Und in Mondfall kann jeder reiten“, fügte sie hinzu, ihre Augen blitzten verschmitzt.
„Willst du etwa behaupten, meine Reitkünste lassen zu wünschen übrig?“, fragte ich halb beleidigt, halb amüsiert.
Sie lachte herzhaft, ihr Lachen klang wie eine frische Brise, die durch die Bäume weht – leicht und unbeschwert. „Vielleicht kommst du ja von einem weiter entfernten Ort als Thalorien, einem exotischeren. Estasia vielleicht?“
Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, aber ich spielte mit. „Bei UN, du hast mich durchschaut!“, sagte ich und zeigte in den Himmel, wo einer der Monde schwach im blassen Tageslicht schimmerte. „Ich komme von dort oben, vom Mond.“
„Wirklich? Das ist ja faszinierend!“, sie legte sich auf den Bauch, stützte das Kinn auf ihre Hände und blickte mich neugierig an. „Erzähl mehr!“
Ich grinste. „Der Grund, warum ich reite wie ein Pflock, ist, dass wir auf dem Mond keine Pferde haben. Wir reiten auf Drachen.“
Ihre Augen weiteten sich und sie nickte ernst, als ob sie jedes Wort glaubte. „Drachen?“
„Ja, aus Metall“, fuhr ich fort. „Und wir fliegen in ihren Bäuchen durch die Lüfte.“
„Das klingt wundervoll“, meinte sie verträumt. „Da würde ich auch gerne mal hin.“
Meine Gedanken verdunkelten sich, und mein Lächeln erstarb. „Nein. Es ist alles andere als wundervoll.“ Ich senkte den Blick. „Es gibt zu viele Menschen. Und sehr viele hungern. Sie erschöpfen die Natur, beuten sie aus, zerstören sie. Sie beuten sich gegenseitig aus, töten und foltern einander sogar. Allzu viele trachten nur nach Geld und Macht und führen lange und erbarmungslose Kriege.“
Stille breitete sich zwischen uns aus. Ich konnte das Gewicht meiner Worte spüren. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass Elowyn sich auf die Lippen biss, sah ihren Blick auf den Boden geheftet. Dann hob sie den Kopf, und in ihren Augen lag ein tiefes, verständnisvolles Mitgefühl.
„Dann ist eure Welt meiner nicht so unähnlich“, sagte sie leise.
Ich richtete mich auf und betrachtete sie. Sie war so nah, und ich konnte das Klopfen meines Herzens spüren. „Und du? Woher kommst du?“, fragte ich sie.
Sie lächelte, aber es lag Traurigkeit darin. „Vom anderen Mond natürlich“, sagte sie mit einem Hauch von Melancholie. „Ich bin auch eine Gestrandete, so wie du.“
Das war eine Antwort, die mir nicht gefiel. Ich wollte wissen, woher sie wirklich kam. „Erzähl mehr“, drängte ich.
„Mein Vater war oft weg, beschäftigt mit Angelegenheiten des Königreichs. Also bin ich bei meiner Mutter aufgewachsen, in einer Stadt an einem rauen, kalten Meer.“
Kaltes Meer? Vor meinem inneren Auge sah ich die Karte von Thalorien. Welche Städte kamen da in Frage?
„Meine Großeltern leben auch dort“, fuhr sie fort. „Meine Großmutter machte die besten Muscheln der Welt. Sie hatten eine Muschelfarm, und ich verbrachte viel Zeit bei ihnen.“
„Also kannst du fischen und segeln?“, fragte ich.
Sie lachte sanft. „Natürlich. Aber mein Vater sorgte auch dafür, dass ich eine militärische Ausbildung bekam.“
„Du kannst mit Waffen umgehen?“, fragte ich sie ungläubig.
„Selbstverständlich“, sagte sie, als wäre es das Normalste der Welt. „Vor allem mit dem Schwert und dem Bogen. Glaubst du wirklich, man hätte den persönlichen Gast des Königs ohne Personenschutz aus dem Schloss gelassen?“
Diese Erklärung traf mich. Wie sollte ich sie jemals beeindrucken, wenn sie selbst in allem perfekt war?
„Und wieso bist du jetzt hier im Schloss?“, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
Ihr Lächeln verschwand, und ihr Gesicht wurde ernst. „Meine Mutter wollte Vater besuchen, vor ein paar Monaten. Sie kam nie an. Wochenlang wurde nach ihr gesucht – ohne Erfolg. Keine Spur.“
Ich setzte mich auf, geschockt. Ihr Schmerz war greifbar.
„Deshalb holte mein Vater mich hierher aufs Schloss. Deshalb musste ich meinen schönen Mond verlassen.“
Ihr trauriges Lächeln traf mich. Ich fand keine Worte, die geholfen hätten.
„Und es gefällt dir hier nicht“, stellte ich leise fest. Nun verstand ich die Traurigkeit, die ich schon beim ersten Treffen in ihren Augen gesehen hatte.
„Es ist schwer“, gab sie zu. „Die anderen Jugendlichen kennen sich seit ihrer Geburt. Sie bleiben untereinander. Das Schloss ist nicht mein Zuhause. Also bin ich schon oft allein ausgeritten, um die Gegend kennenzulernen … und für mich zu sein.“
Ich nickte. Ihre Einsamkeit war mir so vertraut wie meine eigene.
„Das macht uns wohl zu zwei verlorenen Gestalten“, sagte sie sanft.
Willst du wissen, was als Nächstes passiert?
“Ich bin ganz ehrlich überwältigt von diesem Werk!”
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